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Eine wahre Geschichte

  • Autorenbild: Astrid Schneider
    Astrid Schneider
  • 14. Okt. 2024
  • 1 Min. Lesezeit

Wer rollt so spät durch den Thüringer Wald?

Es ist der Metzger. Ihm ist ganz kalt

Auf dem Kutschbock sitzt er, den Blick starr gradaus.

Der Ochs im Geschirr zieht ihn sicher nach Haus.


Im Wagen dahinter quieken zwei Schweine.

Die hat er gekauft für ein paar blaue Scheine.

Wurst will er draus machen und Schnitzel und Braten.

Dafür wird er die Viecher gleich morgen erschlagen.


Das macht er nicht gerne, muss jedesmal flennen,

wenn die armen Schweine ihre Lage erkennen.

Wie gerne wäre er Bäcker geworden,

hätte Brot gebacken und Kuchen und Torten.


Doch der strenge Vater trieb ihm das aus.

"Du übernimmst den Laden, sonst schmeiß ich Dich raus!"

Da gab er klein bei und lernte das Schlachten,

obwohl ihn Skrupel ganz fürchterlich plagten.


So sinniert der Metzger. Ihm ist immer noch kalt.

Da springt urplötzlich ein Reh aus dem Wald.

Stracks vor den Ochsen! Der beginnt auszuschlagen.

Den Hang hinab stürzen Metzger und Wagen.


Die Sonne geht auf im Thüringer Wald.

Friedvoll die Stimmung. Fast wie gemalt.

Die Wipfel schimmern im Morgenrot.

Die Säue leben. Der Metzger ist tot.


(so geschehen dem Metzgermeister Methfessel zu Probstzella, Thüringen, im Winter 1906)



 
 
 

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